Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Minister,
Arbeitsverweigerung anprangern, während man am 14.12. den Haushalt einbringt, der eigentlich ab 1. Januar gelten sollte, ist schon bemerkenswert.
A propos Arbeitsverweigerung – Herr Söder ist wieder nicht da?
Der Bund hat längst geliefert, es ist ein Haushalt da, es sind Richtlinien da, es gibt Planungssicherheit für die Menschen und die Unternehmen. Der Bund ist im Januar handlungsfähig, Bayern leider erst im April! Das entspricht nicht der Bayerischen Haushaltsordnung.
Haushalt 2023 auf einen Blick: Die Steuereinnahmen steigen von 49,8 auf 53,8 Mrd. Euro. Das erscheint zunächst viel, die Steigerung beträgt aber mit 8% weniger als die Inflationsrate.
Überall ein bissl gekürzt, obwohl alle Ressorts die Inflation spüren werden. Haushaltssperren und globale Minderausgaben kommen da noch dazu. Aber keine großen, wegweisenden Sparmaßnahmen, da, wo es Sinn machen würde. Trotzdem werden wieder 71 Milliarden Euro ausgegeben. Und, jetzt kommts: Die Rücklage wird im Wahljahr endgültig geplündert, sie planen eine Entnahme von 3,5 Milliarden Euro, so dass von 7,9 Mrd. Euro Ende 2021 im Jahr 2023 nur noch 1,5 Milliarden übrigbleiben sollen.
Was bekommen die Leute dafür? Das ist das eigentlich Schlimme, nichts Strukturelles, das Bayern dann durch schwierige Jahre tragen würde. Also: Wo bleibt denn das Geld, wo wurde so viel ausgegeben?
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen: Wir haben doch alle den Spiegel vorgehalten bekommen. Wo brennt es, was geht, was geht nicht? Und da muss ich Ihnen sagen: Beim Gesundheitsministerium tut sich überhaupt nichts Neues. Der Minister macht populistische Öffentlichkeitsarbeit, aber im eigenen Haus macht er nichts. Wo sind denn die Erkenntnisse aus Corona? Als Beispiel das Programm Green Hospital, liegt ja auf der Hand, denn Krankenhäuser brauchen eben wahnsinnig viel Energie – aber im ganzen Haushalt gibt es für alle Krankenhäuser 1 Mio Euro für dieses Programm. Was wollen wir damit machen? Welche energetische Sanierung, welche Geräte planen Sie mit 1 Mio für alle Krankenhäuser in ganz Bayern?
Solche Pseudo-Titel, Pseudo-Titelgruppen begegnen uns in diesem Haushaltsplan sehr oft – ein schönes Thema steht drin, klingt gut und es ist nix dahinter, keine Substanz.
Bei der Pflege: bei unseren aktuellen Sorgen, wie die Menschen gepflegt werden sollen, bei unserer demographischen Entwicklung finden sich konstante Ausgaben über alle Titel. Und 2/3 des gesamten Pflege-Etats von 600 Mio Euro sind schon weg für das Landespflegegeld mit 400 Mio. Euro. Ein extra Amt wurde dafür gegründet. Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, wir brauchen Investitionen, und zwar in Versorgungs- und Pflegeinfrastrukturen.
Stichwort Infrastruktur, die bräuchten wir ja auch für die Energiewende, für echten Klimaschutz: Wann kommt da was?
Das wertvolle Institut Zentrum für angewandte Energieforschung – finanziell ausgetrocknet und aufgelöst. Klimalotsen für die Kommunen – weg!
Herr Aiwanger, Sie kündigen groß Wasserstoffprojekte an, kann man machen. Und schaut man dann in den Haushalt, wird mehr in Tankstellen (10 Mio) investiert als in die Wasserstoffproduktion (5 Mio) selbst. Es gibt nur eine VE über 145 Mio – typisch verschieben, nach der Wahl… Wo soll der Wasserstoff denn herkommen? Wir brauchen auch den Strom dafür und wo kommt der her? Ankündigungen liefern keinen Strom. Die gestern von Ihnen angekündigten Windkraftwerke müssten längst stehen.
Geothermie: völlige Fehlanzeige. Da könnte man sofort loslegen, die Wärme unter uns ist bereits da, viele Anlagen laufen bereits und die Kommunen brauchen Geld für die Netze, viele Kommunen stehen für neue Projekte in den Startlöchern. Auch hier gilt: Der Bund hat geliefert, bis zu 40% über das BEW, für Anlagen und für Netze, das ist Klimaschutz. Und Sie: Lassen den alten Ansatz im Haushalt, wieder nur 7,5 Mio für Geothermie, hauptsächlich Papierkram, in 2020 haben Sie sogar nur 98.900 Euro davon ausgegeben! Wollen Sie die Wärmeerzeugung durch Geothermie auch ausländischen Investoren überlassen? Lesen Sie bitte unsere Anträge, lesen Sie auch den Masterplan der TU. Geothermie kann mehr als 25% zur Wärmewende beitragen, aber Sie müssen handeln!
Und damit meine ich echtes Handeln und nicht Kaffeefahrten mit Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern zu Geothermieprojekten, wie Sie es gestern großspurig angekündigt haben.
Verkehrswende: Endlich haben Sie wenigstens die Theorie verstanden! Grade letzte Woche kündigt der Minister Bernreiter eine Verdopplung des ÖPNV bis 2030 an. 2030 scheint so ein magisches Datum zu sein. Da schiebt man alles hin, was man jetzt nicht hinkriegt und doch argumentativ im Wahlkampf nutzen möchte. Und raten Sie mal, was für diese Ankündigung im Haushaltsplan steht? Nichts! Ich bin gespannt, was zu diesem Versprechen, Verdopplung des ÖPNV über die Nachschubliste kommen wird.
Aber alles auf später verschieben, hat sich ja schon bei der Stammstrecke bewährt.
Einfachere Tarife haben Sie letzte Woche auch versprochen. Ziemlich absurd, nachdem am Donnerstag das Deutschlandticket beschlossen wurde. Eine App für Bayern kündigen Sie an – Herr Bernreiter, gute Nachricht für Sie: wahrscheinlich gibt’s sogar ne App für ganz Deutschland.
350 Mio. auf 450 Mio. für Staatsstraßen, aber bitte legen Sie das wirklich für Bestandserhaltung drauf, denn da gibt es einen Investitionsstau von mindestens 900 Mio. Euro (https://www.merkur.de/bayern/mehr-als-ein-drittel-staatsstrassen-in-bayern-ist-marode-zr-10329216.html). Aber nicht, dass Ihnen dann wieder neue Umgehungsstraßen einfallen.
Nur Neues bauen und altes verrotten lassen, bewährt sich auch beim staatlichen Gebäudebestand nicht. Großes Beispiel Universitäten. Die Gesamtausgaben für Bauunterhalt sinken nämlich weiterhin, von 312,6 Mio in 2021 auf nur noch 259,2 Mio Euro. Das sind Zeitbomben für zukünftige Baukosten.
Überhaupt: Wie können angesichts der zahlreichen Baumaßnahmen und angesichts der steigenden Baukosten die Gesamtausgaben für Baumaßnahmen von 1,48 Mrd. Euro auf 1,3 Mrd. Euro sinken? Das ist doch Augenwischerei.
Härtefallfonds: Lange angekündigt, von den Menschen lange erwartet, lange von dieser Regierung nicht angepackt. Und dann: Einfach 1,5 Milliarden Euro in einen Sonderhaushalt 13 22 gepackt. Der Härtefallfonds ist ein Blankoscheck in Höhe von 1,5 Milliarden, also Eintausendfünfhundert Millionen Euro. Er enthält bisher keinerlei Details, die das angebliche Warten auf den Bund in irgendeiner Form rechtfertigen könnte. In diese Form jetzt, einfach 1,5 Mrd in den Plan reinzuschreiben, darauf hätten wir nicht 3 Monate lang warten müssen, mehrmals haben wir einen Nachtragshaushalt vorgeschlagen, das Geld stünde längst bereit. Und auch gestern in der PK, nur heiße Luft, wie es mit dem Fonds weiter gehen soll. Und nach der schlechten Presse gestern jetzt der Hammer: Notbewilligungsrecht. 3 Monate haben Sie nichts getan, alle Anträge auf Nachtragshaushalt, Sonderfonds etc. abgelehnt und jetzt Notbewilligung – nur damit Sie alleine bestimmen können, wer das Geld in welchem Stimmkreis im Wahljahr kriegt. Der Etat des Freistaats ist aber kein Selbstbedienungsladen! Sie missbrauchen unsere Verfassungsorgane, Sie umgehen das Parlament. Wir werden morgen noch darüber reden.
Die Gasspeicher waren zum Winteranfang gefüllt und die Gas- und Strompreisbremse von Robert Habeck kommt. Für 80% des Vorjahresverbrauchs werden die Kosten begrenzt. Das ist für weite Teile der Bevölkerung eine sehr große Erleichterung. Wir müssen also gut schauen, wo Nachsteuerung notwendig ist. Mit dem bayerischen Härtefallfonds müssen wir Familien unterstützen, kleine Betriebe schützen, soziale Institutionen, die warten dringend drauf, es gibt die ersten Schließungen von Pflegeeinrichtungen! Und ein professionelleres Antragsverfahren als ein PDF auf der Homepage zum Selberausdrucken wäre diesmal auch schön.
Aber es gibt auch gute Nachrichten: Nach langem Würgen haben Sie endlich bei der Berufseinstiegsbegleitung auf uns gehört und die Fortführung in den Haushalt geschrieben. Das Loch heuer allerdings bleibt, die Jugendlichen könnten schon 3 Praktika hinter sich haben, und das alles wegen 5 Mio Euro. Und diese Jugendlichen sind die Fachkräfte von morgen, vergessen Sie das nicht.
Keine guten Nachrichten gibt es dagegen beim Gehörlosengeld: Es bleibt bei der Einmalzahlung 2022 und die noch nicht mal für alle schwer Gehörgeschädigten, das reicht nicht für die hohen Zusatzkosten, die Gehörlose haben, um an der Gesellschaft teilhaben zu können!
Und als ob es nicht schon peinlich genug wäre, wenn der Ministerpräsident an einer Tafel Suppe ausschenkt, an Menschen, die wegen seiner Politik für Gratis-Essen anstehen. 1 Mio Euro gäbe es für die über 170 Tafeln in Bayern. Schaut man genau hin, ist das auch noch geschwindelt. Es gibt 400.000 Euro, nur für Energiekosten, und dann gibt es noch 500.000 für die Landesgeschäftsstelle (das ist sogar weniger als letztes Jahr), und miteinander ergibt es immer noch keine Million. 40 Euro pro Woche pro Tafel, teilweise für Hunderte von Leuten… mir fehlen die Worte!
Aber auch der Rest des Sozialhaushalts bleibt gleich, trotz aller Kostensteigerungen bei Personal und Sachkosten. Geld für Kitas – das darf in diesen Zeiten nicht gleichbleiben, wenn fast nirgends in Bayern die Kinderbetreuung mehr zuverlässig funktioniert. Der Rechtsanspruch für den Ganztag kommt, das wollten Sie auch aussitzen. Wir brauchen JETZT mehr Geld für die Ausbildung von Erzieher*innen und bessere Arbeitsbedingungen. Geld für Anlaufstelle Heimkinder völlig rausgestrichen. Gibt’s doch nicht!
Bei den Lehrkräften A 13 versprochen und nichts in den Haushalt geschrieben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wie immer habe ich auch noch ein Schmankerl für Sie: Es gibt doch jetzt das Programm „Bayerndirekt“ – man könnte auch sagen: Frag die Regierung, eine Servicestelle für mehr Information, eigentlich nichts Schlechtes in schweren Zeiten für die Demokratie. Aber Zahlen lügen nicht, lesen Sie selbst, 70% des Etats werden für Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben, für den eigentlichen Bürgerservice bleiben nur 30%. Nur Selbstdarstellung dieser Regierung, zahlen Sie die doch bitte aus der Wahlkampfkasse!
Ganz genau werden wir in den Beratungen auf die Versorgungsausgaben schauen, denn die Ausgaben für Pensionen und Beihilfen belaufen sich schon jetzt auf mehr als 10% des Etats. Den Pensionsfonds hat Herr Söder an die Wand gefahren, die Kosten kommen jetzt, mit dem Ruhestand der Boomergeneration, mit voller Wucht auf uns zu, das wird in den kommenden Jahren teuer. Dazu kommen voraussichtlich inflationsbedingt hohe Tarifabschlüsse und Besoldungsrunden.
Aber das Thema Inflation kommt in diesem Haushaltsplan eh nicht vor. Kein Haushaltsansatz wurde angepasst. Nur Ihre Fraktionsreserve, für Miniprojekte im eigenen Stimmkreis, um die Wähler zu erfreuen, die haben Sie sich kräftig erhöht, von 60 Mio Euro auf 70 Mio Euro. Kommt bestimmt bald wieder eine Pressekonferenz, wer wo kleine Geldgeschenke verteilt. Liebe Abgeordnete CSU und FW, wenn ein Thema wichtig ist, wenn die Kultur Geld braucht, wenn ein Kindergarten Geld braucht, wenn Forschung gefördert werden soll.… , dann ist es in ganz Bayern wichtig, dann schreiben Sie es ordentlich in den Haushaltsplan und spielen vor Ort nicht den Weihnachtsmann. Nicht mal 1 Promille des Haushalts, 70 Mio von 71 Milliarden mitbestimmen zu dürfen, das wird Ihrer Rolle als frei gewählte Abgeordnete in der Regierungskoalition für ganz Bayern nicht gerecht! Und mit dem undemokratischen Verfahren des Notbewilligungsrechts für die Verteilung von 1,5 Milliarden ohne Beteiligung des Landtags entmachten Sie sich gleich noch ein Stück weit.
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, im neuen Jahr steigen wir in die Beratungen ein, es ist schon viel zu viel wertvolle Zeit vergangen. Unsere Änderungsanträge werden konkrete Vorschläge für eine Energiewende aufzeigen, die den Namen verdient, für Klimaschutz, für Klimaanpassung, für ein Schließen der sozialen Schere, für mehr Gerechtigkeit.
Sie dagegen müssen endlich konkret werden und ins Handeln kommen! Schöne Überschriften und eine kleine Studie zum Thema reichen nicht mehr. Umsetzung ist gefragt. Sie sind noch in Verantwortung. Je länger Sie zaudern, umso teurer wird es für uns alle. Handeln Sie jetzt!
Die vollständige Rede finden Sie hier 2022-12-14 Haushaltsplan 2023
Medienecho:
Opposition rügt Bayerns Haushalt — OVB
“Blankoscheck” für Söder? Opposition rügt Härtefallfonds — BR
Füracker stellt Haushalt 2023 vor – und erntet Kritik — Onet
Füracker stellt Etat 2023 vor: »Barocker Wahlkampfhaushalt — Traunsteiner Tagblatt
Bayerns Etat für 2023: Haushalt im Krisenmodus — BR
Haushaltsdebatte gerät zur Wahlkampf-Veranstaltung ‑SZ
Grüne: Haushaltspolitik neu ausrichten — AZ
Grüne: Haushaltspolitik neu ausrichten | ZEIT ONLINE
Energie-Hilfe für kleine und mittlere Betriebe in Bayern — BR
Füracker stellt Etat 2023 vor – SPD: “Barocker Wahlkampfhaushalt” — Bay. Staatszeitung
Grüne: Haushaltspolitik neu ausrichten — Mainpost
Grüne: Haushaltspolitik neu ausrichten — Schwäbische Zeitung
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