Barrierefreiheit finanzieren!
Verbände und Betroffene diskutierten mit den Abgeordneten Kerstin Celina und Claudia Köhler
Die Heilpädagogische Tagesstätte der Lebenshilfe München für Kinder mit Behinderungen war perfekte Ort für eine Diskussion zum Thema Barrierefreiheit, zu der die Abgeordneten Kerstin Celina und Claudia Köhler geladen hatten.
Gäste von Gehörlosenorganisationen, Behindertenbeiräte des Landkreises, Vertreter*innen von Seniorenbeiräten, dem Blindeninstitut, einem Elternbeirat, Psychiatrieerfahrene und viele Interessierte diskutierten mit den Abgeordneten und Thomas Bannasch, Landesgeschäftsführer der LAG Selbsthilfe Bayern, Dachorganisation von derzeit 110 Selbsthilfeverbänden, sowie der Bezirksrätin und Inklusionsbeauftragten des Bezirks Oberbayern Dr. Frauke Schwaiblmair über die Finanzierung von Barrierefreiheit und die Voraussetzung von echter Teilhabe für alle.
Mit von der Partie war nicht nur Holger Kiesel, Beauftragter der Bayerischen Staatsregierung für Menschen mit Behinderung, sondern auch zahlreiche gehörlose Menschen, darunter Can Sipahi, 1. Vizevorsitzender des Gehörlosenverbandes München und Umgebung (GMU) und die Geschäftsführerin Cornelia von Pappenheim.
Kerstin Celina hatte im Vorfeld zwei Gebärdendolmetscherinnen und die Verschriftlichung von Wortbeiträgen zum Verständnis organisiert. Einem Diskutanten wollte Köhler das Mikrofon reichen und hatte gar nicht bemerkt, dass er gehörlos ist. „Da ist mir richtig aufgefallen, dass bei entsprechender Infrastruktur, also technischer Ausstattung und Hilfsmitteln, keine Unterschiede zwischen uns bestehen und alle der Diskussion folgen und lebhaft mitdiskutieren können. Das wäre alles, was es braucht, aber es muss halt bezahlt werden“, so Köhler.
Von „Bayern barrierefrei“, wie es einst für 2023 angekündigt war, sei man noch meilenweit entfernt, so Kerstin Celina, MdL. „Passiert ist nichts – außer plakativen Aktionen. Keine zusätzlichen Haushaltsmittel, keine konzertierten Aktionen, keine Gremien mit Menschen mit Behinderung, kein Plan, keine Ziele, kaum Messinstrumente.“ Die stellvertretende Vorsitzende im Haushaltsausschuss Köhler meint: „Eine große Offensive fehlt in allen Bereichen. Personal an Schulen und Behörden, der Ausbau der Bahnhöfe, Zuschüsse für Kommunen, Kinderbetreuungseinrichtungen, Denken an Inklusion schon bei der Planung von Wohnraum. Oft wäre es gar nicht so teuer, z.B. die behindertengerechte Arbeitsplatzausstattung von Arbeitsplätzen in den Ministerien.“
Der größte Aufschlag der Grünen ist derzeit die Forderung nach einem echten Gehörlosengeld – ähnlich dem Blindengeld. „Kommunikation ist eine zentrale Voraussetzung für gesellschaftliche Teilhabe. Gehörlose sind von der alltäglichen Kommunikation völlig ausgeschlossen, wenn sie nicht in technische Geräte, Gebärdensprachdolmetscher*innen oder Schriftdolmetscher*innen privat investieren“, so Kerstin Celina. „Nicht jeder kann sich das leisten. Deshalb ist die Einführung eines Gehörlosengeldes nach dem Vorbild Hessens auch in Bayern notwendig.“ Für Bayern würde ein ausreichendes Gehörlosengeld für alle
15.000 Betroffene ca. 25,5 Mio Euro kosten, die Grüne Fraktion hat einen entsprechenden Gesetzesentwurf eingebracht.
Köhler nennt einen weiteren Aspekt: „Uns fehlen in allen Bereichen Fachkräfte. Es ist volkswirtschaftlicher Unsinn, Menschen mit Behinderungen nicht noch viel mehr im Arbeitsmarkt willkommen zu heißen und ein Budget für die behindertengerechte Arbeitsplatzausstattung zu schaffen.“
Eine weitere Forderung der Grünen Fraktion ist die Einführung der Gebärdensprache als Wahlpflichtfach an den Schulen, damit die Kommunikation untereinander auch ohne Gebärdendolmetscher*innen möglich wird. „Das würde fast nichts kosten und doch Teilhabe und gemeinsame Kommunikation von Kindesbeinen an ermöglichen“, so Celina.
Für die Wahlfreiheit bei Arbeit und Wohnen, für Barrierefreiheit im öffentlichen Raum muss noch viel getan werden, war sich die Runde einig. „Es wäre zum Wohl der ganzen Gesellschaft.“
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