Claudia Köhler als Prozessbeobachterin am 15.9.2020 in Bozen

Pes­ti­zid-Pro­zess geht wei­ter: Grü­ne for­dern sofor­ti­gen Rück­zug der Klage

Der Pro­zess gegen Pes­ti­zid-Kri­ti­ker in Süd­ti­rol geht wei­ter. Der Süd­ti­ro­ler Lan­des­rat hat­te zwar ange­kün­digt, die Kla­ge zurück­zu­zie­hen, dies aber bis­her nicht in die Tat umge­setzt. Nach­dem im Sep­tem­ber der Gerichts­pro­zess gegen Agrar­ex­per­ten des Münch­ner Umwelt­in­sti­tuts Karl Bär eröff­net wur­de, geht das Straf­ver­fah­ren nun gegen wei­te­re Mit­ar­bei­ten­de des Umwelt­in­sti­tuts sowie den Geschäfts­füh­rer des oekom-Ver­lags Jacob Rad­l­off wei­ter. Die baye­ri­schen GRÜNEN unter­stüt­zen die von der Staats­an­walt­schaft Bozen wegen übler Nach­re­de Angeklagten.

„Die­ser Pro­zess ist Gift gegen die freie Mei­nungs­äu­ße­rung. Es ist ein wich­ti­ges demo­kra­ti­sches Recht, auf Miss­stän­de auf­merk­sam zu machen und Kri­tik zu üben. Genau das haben Karl Bär und Alex­an­der Schie­bel beim Pes­ti­zid-Ein­satz auf Süd­ti­ro­ler Apfel­plan­ta­gen gemacht. Dass sie des­halb auf der Ankla­ge­bank sit­zen, ist skan­da­lös. Wir baye­ri­sche GRÜNE ste­hen soli­da­risch hin­ter den Ange­klag­ten und for­dern den Süd­ti­ro­ler Lan­des­rat Arnold Schul­er und die wei­te­ren Kla­ge­füh­rer dazu auf, die Kla­ge und alle Anzei­gen zurück­zu­zie­hen“, so Eva Let­ten­bau­er, Par­tei­vor­sit­zen­de von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Bayern.

Ange­sichts der gro­ßen media­len Auf­merk­sam­keit hat­te der Süd­ti­ro­ler Lan­des­rat einen Tag vor Pro­zess­be­ginn ver­spro­chen, die Kla­ge zurück­zu­zie­hen. Die Rück­nah­me der Anzei­ge war jedoch an Bedin­gun­gen geknüpft, die die Beklag­ten in ihrer frei­en Mei­nungs­äu­ße­rung beschränkt hätten.

„Mit gro­ßer Sor­ge sehen wir den Ver­such des Süd­ti­ro­ler Lan­des­ra­tes, die Kri­ti­ker unter Druck zu set­zen und mund­tot zu machen – in einem Land mit­ten in der EU. Es ist zutiefst bedenk­lich, dass neben den Kri­ti­kern auch der Ver­lag ange­klagt ist, der das Buch über den hohen Ein­satz der Gif­te in der Regi­on ver­öf­fent­licht hat. Wir sen­den die kla­re Bot­schaft nach Süd­ti­rol, dass die Öffent­lich­keit das Ver­hal­ten der Süd­ti­ro­ler Lan­des­re­gie­rung auch in Bay­ern sehr auf­merk­sam ver­folgt“, so Clau­dia Köh­ler, Abge­ord­ne­te der GRÜ­NEN-Frak­ti­on im Baye­ri­schen Landtag.

„Es ist nicht nur die Art, wie mit den Kri­ti­kern umge­gan­gen wird, son­dern auch der Inhalt der Kri­tik, der drin­gend öffent­li­che Auf­merk­sam­keit braucht. Der Pro­zess behan­delt das urgrü­ne The­ma gift­freie Land­wirt­schaft. Ich hof­fe sehr, dass sich die ita­lie­ni­sche Gerichts­bar­keit nicht von der Macht der Agrar­lob­by ein­schüch­tern las­sen wird. Die Kla­ge muss ein­ge­stellt wer­den, alles ande­re wäre eine Far­ce in einer demo­kra­ti­schen Gesell­schaft“, so Gise­la Sengl, Abge­ord­ne­te der GRÜ­NEN-Frak­ti­on im Baye­ri­schen Landtag.

Hin­ter­grund­in­for­ma­ti­on:
Der Agrar­ex­per­te des Münch­ner Umwelt­in­sti­tuts Karl Bär wur­de von der Staats­an­walt­schaft Bozen wegen übler Nach­re­de ange­klagt, weil er im Jahr 2017 die Kam­pa­gne „Pes­ti­zid-Tirol“ des Umwelt­in­sti­tuts ver­ant­wor­te­te, die auf den hohen Ein­satz von Pes­ti­zi­den in Süd­ti­rol auf­merk­sam mach­te. Der Pro­zess­auf­takt gegen ihn fand am Diens­tag, den 15. Sep­tem­ber 2020, in Bozen in Süd­ti­rol statt und wird am 27. Novem­ber fortgesetzt. 
Der Fil­me­ma­cher und Autor Alex­an­der Schie­bel schrieb in sei­nem Buch von 2017 über „Das Wun­der von Mals“ – eine Süd­ti­ro­ler Gemein­de, die sich 2014 in mit einer Volks­ab­stim­mung mehr­heit­lich gegen den Pes­ti­zid­ein­satz in der Regi­on aus­ge­spro­chen hat­te. Er wur­de eben­falls wegen übler Nach­re­de und Mar­ken­ver­let­zung ange­klagt. Am 14. Janu­ar 2021 beginnt das Straf­ver­fah­ren gegen Alex­an­der Schiebel.
Am 22. Okto­ber 2020 ent­schei­det das Gericht in Süd­ti­rol, ob auch gegen wei­te­re Mit­ar­bei­ten­de des Münch­ner Umwelt­in­sti­tuts sowie gegen den Ver­le­ger des genann­ten Buches Jacob Rad­l­off vom oekom-Ver­lag Ankla­ge erho­ben wird.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zur Ent­wick­lung des Pro­zes­ses Pes­titz­id­pro­zess PM 2020-10-22

 

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