Asch­heim nicht im Regen ste­hen lassen

Ich sehe mit Sor­ge, wie das „Schwar­ze Loch“ um Wire­card täg­lich grö­ßer wird. Wir ris­kie­ren, mehr als 1000 Arbeits­plät­ze im Land­kreis Mün­chen zu ver­lie­ren, nur weil die zustän­di­gen Auf­sichts­be­hör­den nicht hin­schau­en woll­ten oder sich ein­fach nie­mand zustän­dig sehen woll­te. Die Gemein­de Asch­heim braucht jetzt Unter­stüt­zung durch die Minis­te­ri­en Wirt­schaft, Finan­zen und Jus­tiz, damit die wirt­schaft­li­chen Fol­gen abge­fe­dert wer­den können.

“Wire­card ist eine der am schnells­ten wach­sen­den digi­ta­len Platt­for­men im Bereich Finan­cial Com­mer­ce – und zwar welt­weit. Wir bie­ten sowohl Geschäfts­kun­den als auch Ver­brau­chern inno­va­ti­ve Mehr­wert­ser­vices rund um den digi­ta­len Zah­lungs­ver­kehr: online, mobil und am Point of Sale.”  So steht es Anfang Sep­tem­ber 2020 noch immer auf der Home­page des Unter­neh­mens. Doch aktu­ell sit­zen meh­re­re Spit­zen-Mana­ger der Fir­ma in Unter­su­chungs­haft, dar­un­ter auch der ehe­ma­li­ge Vor­stands­vor­sit­zen­de Mar­kus Braun. Ex-Ver­triebs­vor­stand Jan Mar­sa­lek befin­det sich sogar auf der Flucht. Die Staats­an­walt­schaft geht davon aus, dass die Wire­card-Mit­ar­bei­ter Umsät­ze in den Bilan­zen erfun­den haben, um so an Kre­di­te von Ban­ken und ande­ren Inves­to­ren zu kom­men. Den Beschul­dig­ten wer­den gewerbs­mä­ßi­ger Ban­den­be­trug, Untreue, unrich­ti­ge Dar­stel­lung und Markt­ma­ni­pu­la­ti­on in meh­re­ren Fäl­len vor­ge­wor­fen. Ca. 3 Mil­li­ar­den Euro hat­te sich Wire­card bei Ban­ken und ande­ren Inves­to­ren gelie­hen. Auf­grund der Insol­venz ist die­ses Geld wahr­schein­lich ver­lo­ren. Auch Wire­card-Aktio­nä­re müs­sen hef­ti­ge Ver­lus­te ein­ste­cken, weil die Aktie von über 100 Euro Mit­te Juni auf weni­ger als zwei Euro zum heu­ti­gen Tag gesun­ken ist.

Seit 2018 galt Wire­card als Star im Dax. Die Gemein­de Asch­heim, in der sich der Fir­men­sitz von Wire­card befin­det, war stolz und hat­te gro­ße Plä­ne. Sogar ein Grund­stück, das eigent­lich zum Grün­gür­tel gehör­te, wur­de an Wire­card ver­kauft. Ein neu­es Park­haus soll­te dort gebaut wer­den. Nach der Wire­card-Insol­venz stellt sich jetzt die Fra­ge, wie hoch der finan­zi­el­le Scha­den für die Gemein­de wird. Es bre­chen nicht nur erheb­li­che Steu­er-Ein­nah­men weg, son­dern es dro­hen sogar Rück­zah­lun­gen, falls fest­ge­stellt wird, dass Gewer­be­steu­ern auf Umsät­ze gezahlt wur­den, die so nicht exis­tiert hatten.

In meh­re­ren Anfra­gen unse­rer Frak­ti­on wird klar bestä­tigt, dass seit über 10 Jah­ren bereits Anzei­gen wegen Betrugs, Geld­wä­sche und Untreue ein­ge­gan­gen sind. In der Ant­wort auf mei­ne Anfra­ge wur­de mir mit­ge­teilt, dass nach Aus­kunft der baye­ri­schen Staats­an­walt­schaf­ten seit 2007 ins­ge­samt 48 Straf­an­zei­gen gegen Ver­ant­wort­li­che und Mit­ar­bei­ter der Wire­card im Zusam­men­hang mit dem Geschäfts­be­trieb der Gesell­schaft erfasst wur­den. Wir for­dern hier eine lücken­lo­se Auf­klä­rung. Die Jus­tiz muss jeden Ver­dacht aus­räu­men, den Anzei­gen und Ver­dachts­mel­dun­gen nicht aus­rei­chend nach­ge­gan­gen zu sein. Dafür braucht es natür­lich auch genü­gend Per­so­nal bei der Justiz.

Staat­li­che Auf­sichts­be­hör­den hiel­ten es nicht für not­wen­dig, genau­er hin­zu­se­hen. Im Gegen­teil, als 2015 die Finan­cial Times über mög­li­che Bilanz­fäl­schun­gen schrieb, stell­te die Bun­des­an­stalt für Finanz­dienst­leis­tungs­auf­sicht – kurz BaFin — sogar Straf­an­zei­ge gegen die Jour­na­lis­ten, statt die Vor­wür­fe zu über­prü­fen. Nie­mand woll­te dar­an glau­ben, dass die Erfolgs­ge­schich­te des deut­schen Unter­neh­mens, auf Schein­ge­win­nen in Höhe von fast 2 Mil­li­ar­den Euro auf­ge­baut wur­de. Statt­des­sen beschul­dig­te man die Repor­ter mit Bör­sen­spe­ku­lan­ten gemein­sa­me Sache zu machen. Mitt­ler­wei­le wur­de das Ver­fah­ren gegen die Jour­na­lis­ten wie­der ein­ge­stellt.

“De fac­to hat bei Wire­card durch das chao­ti­sche Zustän­dig­keits-Wirr­warr zwi­schen Söder-Regie­rung und BaFin kei­ne Geld­wä­sche­auf­sicht statt­ge­fun­den“, erklärt unser finanz­po­li­ti­scher Spre­cher Tim Par­gent. Das haben bereits im Juni zwei grü­ne Anfra­gen von Par­gent und unse­rer Frak­ti­ons­vor­sit­zen­den Katha­ri­na Schul­ze gezeigt. Die­se bestä­ti­gen auch den feh­len­den Auf­klä­rungs­wil­len, den der Ver­tre­ter des baye­ri­schen Innen­mi­nis­te­ri­ums vor dem Finanz­aus­schuss des Bun­des­tags bei der gest­ri­gen Befra­gung gezeigt hat. „Die Söder-Regie­rung hat sich also offen­bar erst im Juni 2020 damit beschäf­tigt, dass ein glo­ba­ler DAX-Kon­zern in Bay­ern unkon­trol­liert sei­ne Geschäf­te täti­gen konn­te“, sagt Tim Par­gent. „Das bestä­tigt uns, dass die baye­ri­sche Geld­wä­sche­auf­sicht drin­gend umstruk­tu­riert und per­so­nell auf­ge­stockt wer­den muss. Nur 13,3 Per­so­nal­stel­len für die gesam­te Geld­wä­sche­auf­sicht im Nicht­ban­ken­sek­tor in ganz Bay­ern sind eine Frechheit.“

Die baye­ri­sche Regie­rung war und ist für die Geld­wä­sche-Auf­sicht, Gerichts­ver­fah­ren und Steu­er­prü­fun­gen zustän­dig. Gera­de weil hier nicht aus­rei­chend im Vor­feld kon­trol­liert wur­de, ist es jetzt umso wich­ti­ger, dass die betrof­fe­ne Kom­mu­ne Asch­heim nicht allein gelas­sen wird. Des­halb for­de­re ich zusam­men mit mei­nem Land­kreis­kol­le­gen Dr. Mar­kus Büch­ler:

Vie­le Arbeits­su­chen­de, abge­tra­ge­nes, belas­te­tes Gelän­de für ein jetzt unnö­tig gewor­de­nes Park­haus, eine teu­re Ver­stär­kung des Kreis­ver­kehrs und der Stra­ße vor dem Fir­men­ge­bäu­de sowie zu erwar­ten­de Gewer­be­steu­er­aus­fäl­le — hier müs­sen die Minis­te­ri­en Wirt­schaft, Finan­zen und Jus­tiz schnells­tens Hil­fe­stel­lung leisten.

Grü­ne for­dern Hil­fe für Gemein­de Asch­heim – SZ

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