Seit 2015 helfe ich ehrenamtlich im Asylhelferkreis Unterhaching, Arbeit für Geflüchtete zu finden. Über 130 Mal war mir das — im Team mit weiteren Helfer*innen, die Lebensläufe geschrieben und Bewerbungsgespräche begleitet haben — gelungen. In den letzten Jahren verloren sehr viele unserer Schützlinge die Genehmigungen, weiterzuarbeiten — oft nach jahrelang guter Arbeit und Integration. Nach meinem Eindruck gab es sogar Fälle, bei denen bewusst die lange Dauer der Arbeitsverhältnisse unterbrochen werden sollte, um das Chancenaufenthaltsgesetz zu umgehen. Dieses ermöglicht gut integrierten Menschen ohne anerkannten Asylstatus einen dauerhaften Aufenthalt.
Der Frust bei Unternehmen, bei Helferkreisen und Ehrenamtlichen ist groß: Wir brauchen in allen Branchen Fach- und Hilfskräfte. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass der Zwang zum Rumsitzen eine schlechte Lösung ist.
Schon im alten Jahr hatte ich deshalb eine Anfrage an das Bayerisches Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration gestellt, wieviele Leute aus dem Landkreis München, die Arbeit hatten, abgeschoben wurden bzw. nicht weiterarbeiten dürfen. Nach langer Wartezeit kam die erste Antwort: erheben wir nicht, sagen wir nicht, wissen wir nicht.
Daraufhin habe ich mich bei der Präsidentin Ilse Aigner beschwert und nach weiteren zwei Monaten wenigstens eine Teilantwort bekommen. Erschreckend: Wer wie lange schon hier arbeitet, Steuern und Sozialabgaben zahlt, wird nicht erfasst. Der Rest der Antwort ist auch nicht viel schöner.
- Viele Fragen, insbesondere zu Arbeitsverhältnissen von Geflüchteten, bleiben weiterhin unbeantwortet. Wird wirklich nicht einmal erfasst, wer arbeitet und wer nicht? Gibt es im Jahr 2023 keine Softwareprogramme dazu?
- Von den 144 Personen, die am 30.9.2022 eine Grenzübertrittsbescheinigung erhalten hatten, waren 25 bereits über fünf Jahre in Deutschland. Das bedeutet, dass diese Personen die Perspektive gehabt hätten, unter das Chancenaufenthaltsrecht zu fallen. Unklar bleibt, ob die 144 Personen dann tatsächlich abgeschoben wurden, freiwillig ausgereist sind oder eine Duldung erhalten haben. (Bestätigt ist lediglich, dass sieben Personen, die eine Grenzübertrittsbescheinigung erhalten hatten, wieder eine Duldung erhalten. Wegen eines Irrtums? Ein Einlenken?)
- In den Jahren 2021 und 2022 wurden mehr Vorabzustimmungen erteilt als Beratungsgespräche zur freiwilligen Ausreise durchgeführt wurden (2021 22 Beratungsgespräche und 30 Vorabzustimmung; 2022 25 Beratungsgespräche und 51 Vorabzustimmungen. D.h. entweder hat die Ausländerbehörde nicht alle Personen, die ein Vorabzustimmungen erhalten haben, vorher beraten oder die Betroffenen haben sich von anderen Stellen beraten lassen.)
- Fünf Personen wurden durch die Abschiebung von ihren Kindern getrennt – das passt überhaupt nicht zu unseren ethischen Werten und zu unserer christlichen Tradition. Es steht im Gegensatz zu zahlreichen Beteuerungen der Staatsregierung, dass Kinder nicht von den Eltern getrennt würden.
„Die Antworten zur Anfrage sind erschreckend: Wer wie lange gearbeitet hat, wird nicht einmal erhoben und ausgewertet. Genau das wäre aber die Grundlage für konstruktive Politik. Unsere Behörden sollten von der Staatsregierung nicht länger angewiesen werden zu suchen, warum es nicht geht, sondern was es braucht, damit Integration endlich strukturell funktioniert.“
Nach dem letzten Flüchtlingsgipfel sagte die Innenministerin weitere Mittel zu. Zusammen mit meinem Kollegen im Landkreis MdL Dr. Markus Büchler lobe ich gerne, dass es noch einmal mehr Geld vom Bund, insbesondere für Digitalisierung der Ausländerbehörden gibt. „Das wird die Behörden entlasten und Prozesse hoffentlich verschlanken. Das Geld muss aber auch zeitnah weitergeleitet werden — anders als die 79 Mio Euro, die Bayern seit Januar 2023 noch immer nicht an die Kommunen weitergegeben hat.”
Und besonders sah man an den Haushaltsberatungen, wo der politische Wille zu gelingender Integration sitzt und wo nicht: Die CSU im Landtag hat bei den Haushaltsberatungen gerade alle Anträge auf mehr Stellen in Bayerns Ausländerämtern, auf Beschleunigung der Anerkennungsverfahren abgelehnt. Und derweilen stapeln sich die Anträge auf Anerkennung ausländischer Qualifikationen von Ärzt*innen, Pflegekräften und vielen anderen Fachkräften bei der Regierung von Oberbayern.
“Mir ist es wichtig, dass der Fokus endlich auf die Gestaltung der Zuwanderung und gelingende Integration der Menschen gelegt wird. Unsere Unternehmen brauchen Fachkräfte und Hilfskräfte! Jeder, der arbeitet, sorgt für seinen Lebensunterhalt und zahlt Steuern und Sozialabgaben. Integration darf nicht länger vom Geldbeutel des Landkreises und der Kommunen und dem Engagement der Helferkreise abhängen, sondern sie ist eine große wirtschaftliche Chance. Ziel muss sein, dass arbeiten darf, wer arbeiten kann.”
SA Ausreisepflichtige Personen Landkreis München Ergänzung
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