Soli­da­ri­tät für Karl Bär — Pro­zess­be­ob­ach­te­rin in Bozen — gegen Pes­titz­id­ein­satz — für Meinungsfreiheit

Man hat es befürch­tet und mag es doch nicht glau­ben: Dass das Wort eines Poli­ti­kers vor lau­fen­den Kame­ras nun doch nicht ein­ge­hal­ten wird. Ent­ge­gen groß ange­kün­dig­ter Pres­se­mit­tei­lun­gen von Lan­des­rat Schul­er aus Bozen, die Anzei­ge zurück­zu­zie­hen, geht der Pro­zess gegen Karl Bär vom Umwelt­in­sti­tut Mün­chen e.V. und Buch­au­tor Alex­an­der Schie­bel wei­ter. Ich bin ent­setzt! Das scha­det der Glaub­wür­dig­keit von Poli­tik immens und bringt Süd­ti­rol wei­ter in Misskredit.

Gut, dass mei­ne Kol­le­gin Gise­la Sengl und ich uns von den lee­ren Ver­spre­chun­gen und Ankün­di­gun­gen nicht abhal­ten lie­ßen und las­sen wer­den, als par­la­men­ta­ri­sche Pro­zess­be­ob­ach­te­rin­nen nach Ita­li­en zu rei­sen. Auf uns ist Verlass!

Am 30.9. zog Land­rat Schul­er die Ankün­di­gung die Kla­ge zurück­zu­zie­hen zurück, d.h. am 27.11. wird ein span­nen­der Pro­zess­tag. Ich wer­de wie­der vor Ort in Bozen sein, um Karl Bär und Alex­an­der Schie­bel auch an disem Pro­zess­tag zu unterstützen:

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen zum Pro­zess fin­den Sie im süd­ti­ro­ler Online­me­di­um Sal­to

Pres­se­mit­tei­lung des Umwelt­in­sti­tuts dazu hier

Am Diens­tag, 15.9.20, fand in Bozen der Auf­takt zum Straf­pro­zess gegen den Agrar­re­fe­ren­ten Karl Bär des Umwelt­in­sti­tuts Mün­chen und den Autor Alex­an­der Schie­bel statt, weil sie den hohen Pes­ti­zid­ein­satz in der Regi­on kri­ti­siert haben.
Der Lan­des­rat für Land­wirt­schaft, Arnold Schul­er, hat­te des­halb 2017 Straf­an­zei­ge gegen die bei­den erstat­tet, wegen übler Nach­re­de zum Scha­den der Land­wirt­schaft. Über 1300 Land­wir­te schlos­sen sich der Kla­ge an.

Als par­la­men­ta­ri­sche Beob­ach­te­rin war ich zusam­men mit mei­ner Kol­le­gin, der agrar­po­li­ti­schen Spre­che­rin unse­rer Frak­ti­on, Gise­la Sengl zum Pro­zess­ter­min ange­reist. Vor dem Lan­des­ge­richt in Bozen haben zum Pro­zess­auf­takt das Umwelt­in­sti­tut gemein­sam mit vie­len Ver­bün­de­ten für das Recht demons­triert, die Wahr­heit des hohen Pes­ti­zid­ein­sat­zes auch auszusprechen.

Kurz vor Pro­zess­be­ginn hat­te der Lan­des­rat über­ra­schen­der­wei­se die Pres­se infor­miert, die Anzei­ge zurück­ge­zo­gen zu haben. Karl Bär und das Umwelt­in­sti­tut blie­ben ver­hal­ten opti­mis­tisch und die Pro­test­ak­ti­on wur­de wie geplant vor dem Gerichts­ge­bäu­de durch­ge­führt. Wir Beob­ach­te­rin­nen sag­ten selbst­ver­ständ­lich unse­re wei­te­re Unter­stüt­zung zu, waren pünkt­lich da und haben z.B. für Kon­tro­vers im BR-Fern­se­hen ein Inter­view gegeben.

Karl Bärs Anwalt for­der­te dann auch unmiss­ver­ständ­lich: Der Lan­des­rat müs­se unver­züg­lich sei­ne eige­ne Anzei­ge gegen die Pes­ti­zid-Kri­ti­ker aus Deutsch­land und Öster­reich offi­zi­ell zurück­zie­hen und dafür sor­gen, dass auch alle wei­te­ren Anzei­gen ad acta gelegt wer­den. Dies ist ent­ge­gen Arnold Schul­ers Ankün­di­gung nicht gesche­hen, weil nichts Schrift­li­ches ein­ge­gan­gen war und die Voll­mach­ten der mehr als 1300 Land­wir­tin­nen fehl­ten, die sich Schul­ers Anzei­ge ange­schlos­sen hat­ten. Der Rich­ter setz­te im heu­ti­gen Ver­fah­ren den Klä­gern eine Frist bis zum 27. Novem­ber, um alle Anzei­gen zurück­zu­neh­men. Der Aus­gang ist damit wei­ter­hin offen.

Es gab jedoch eine wei­te­re Über­ra­schung, die der groß­spu­ri­gen Ankün­di­gung auf Zurück­zie­hen der Ankla­ge ent­ge­gen steht. Karl Bärs Anwalt Nico­la Canestrini:

»Es ist ein gutes Zei­chen, dass die Klä­ger heu­te auch vor dem Rich­ter bestä­tigt haben, ihre Kla­ge fal­len las­sen zu wol­len. Erstaun­lich ist aller­dings, dass Lan­des­rat Schul­er nun als Neben­klä­ger auf­tritt und gemein­sam mit den wei­te­ren Neben­klä­gern aus der Obst­wirt­schaft eine Scha­den­er­satz­for­de­rung von einem Euro gel­tend machen will. Damit liegt auf der Hand, dass der wah­re Zweck sei­ner Straf­an­zei­gen von 2017 nicht die Wie­der­gut­ma­chung eines Scha­dens war. Er woll­te mit sei­ner Anzei­ge die Debat­te um den schäd­li­chen Ein­satz von Pes­ti­zi­den in Süd­ti­rol unterbinden.«

Einen klei­nen Erfolg gibt es aber doch nach dem ers­ten Pro­zess­tag „Die Staats­an­walt­schaft Bozen hat auf unse­ren Antrag hin die Betriebs­hef­te der mehr als 1300 Land­wir­te ein­sam­meln las­sen, die sich der Anzei­ge des Lan­des­ra­tes ange­schlos­sen hat­ten.“  Dar­in ent­hal­ten sei­en Anga­ben, wel­che und wie viel Pes­ti­zi­de jeder ein­zel­ne Land­wirt 2017 auf sei­nem Acker aus­brach­te. „Auch wenn der Pro­zess ein­ge­stellt wer­den soll­te, kön­nen wir auf die­se kon­kre­ten Daten zurück­grei­fen – was euro­pa­weit so noch nie zuvor mög­lich war,” so Karl Bär. Die Zivil­ge­sell­schaft erhält also — wahr­schein­lich zum ers­ten Mal — detail­lier­te Anga­ben zu mas­si­vem Pes­ti­zid­ein­satz in einer gan­zen Region.
Bericht­erstat­tung
Clau­dia Köh­ler, die als Pro­zess­be­ob­ach­te­rin vor Ort war:
“Ich hof­fe sehr, dass der Ankün­di­gung von Lan­des­rat Arnold Schul­er die Kla­gen zurück­zu­neh­men, Taten fol­gen. Der Ver­such, den bei­den Autoren, die nur den wirk­li­chen Zustand des Pes­ti­zid­ein­sat­zes in Süd­ti­rol beschrei­ben, einen Maul­korb zu ver­hän­gen wird hof­fent­lich kläg­lich schei­tern. Der Scha­den durch einen sol­chen Pro­zess für die Tou­ris­mus­re­gi­on wird mit Sicher­heit deut­lich höher, als die Ener­gie dar­auf zu ver­wen­den, den Pes­titz­id­ein­satz zu ver­rin­gern, wie es die Gemein­de Mals vor­ge­macht hat. Das wird hof­fent­lich auch der Land­rat mit sei­nen 1300 Nebenkläger*innen mitt­ler­wei­le ein­se­hen und die Kla­gen zurückziehen.”

 

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