Seit Anfang März sitze ich wie viele von uns zuhause im Homeoffice. Im Landtagsplenum waren nach Absprache aller Fraktionen in diesen Wochen nur 1/5 unserer Abgeordneten. Zum einen, um die Infektionsgefahr zu senken, zum anderen, um mindestens 4/5 gesund als Einspringer*innen zu halten, wenn die Ansteckungen steigen.
Und zeitgleich werden im Landtag weitreichende Entscheidungen wie noch nie beschlossen: Ein Infektionsschutzgesetz mit Ausgangsbeschränkungen und Ausrufung des Katastrophenfalls. Ein Schutzschirm für die bayerische Wirtschaft in Milliardenhöhe, nach Ostern soll ein zweites Paket verabschiedet werden. Bei solch massiven Einschränkungen, auch wenn diese durch alle Fraktionen mitgetragen werden, hat die Opposition trotz des schwierigen Parlamentsbetriebs eine doppelt wichtige Aufgabe: nämlich die Kontrollfunktion.
Rechtfertigen die Zielsetzungen solche Maßnahmen? Funktionieren die Maßnahmen? Sind sie abgestimmt mit den Fachleuten und dem Kabinett? Werden Sie gut kommuniziert, so dass alle Menschen sie verstehen, z.B. auch Menschen mit Behinderungen oder Analphabet*innen? Gibt es Gruppen, die unverhältnismäßig benachteiligt werden? Kommen die eingesetzten Mittel an der richtigen Stelle an? Genügen Sie? Haben wir alle Betroffenen bedacht? Wie kann eine soziale Ungerechtigkeit vermieden werden?
So hat unsere Grüne Fraktion ein automatisches Ende der Maßnahmen zum Jahresende ins Gesetz reinverhandelt, falls diese nicht vorher bereits eingestellt werden. Zudem gibt es auf unsere Initiative keine einsamen Entscheidungen vom Ministerpräsidenten alleine, sondern nur vom gesamten Kabinett.
Am 19.3. wurde einstimmig ein Schutzschirm von 10 Mrd Euro für die bayerische Wirtschaft beschlossen. Voran gingen Beratungen im Haushaltsausschuss zum Schutzschirm und zum bereits vorliegenden Nachtragshaushalt. Nach 34 Jahren im Landtag hat die Grüne Fraktion aufgrund der Situation, die ein schnelles Handeln erforderte, dem Nachtragshaushaltsentwurf der Regierungsfraktionen erstmals zugestimmt, obwohl nicht ein Änderungsantrag der Oppositionsfraktionenen berücksichtigt wurde. Letztlich geht es um Steuermittel, enorme Schulden und wirtschaftliche Lasten für die nachfolgenden Generationen. Alle in Gesellschaft und Politik haben Verantwortung, für eine funktionierende Wirtschaft und Infrastruktur in der Zukunft zu sorgen. Nicht zuletzt davon hängen das Steueraufkommen und der Handlungsspielraum für die Kommunen (Einkommensteuer über Arbeitsplätze und Gewerbesteuer über die Unternehmen) ab.
Unsere Fraktionssitzungen mit 38 Abgeordneten sowie unsere Arbeitskreise und Haushaltsteambesprechungen halten wir derzeit mit Video- und Telekonferenzen ab. Dabei geht es uns wie allen Berufstätigen: Man staunt, was dann doch alles im Homeoffice möglich ist. Hier hoffe ich sehr, dass im Anschluss an die Krise ein Umdenken zugunsten familiengerechter Arbeitsbedingungen stattfindet. Ganz nebenbei entlastet es alle Verkehrssysteme und verringert die Schadstoffbelastung, wenn nicht jeder jeden Morgen zur Arbeitsstätte fahren muss, sondern auch tageweise im Home Office arbeiten kann.
In meinem Abgeordnetenbüro bespreche ich mich jeden Tag ein- bis zweimal per Telefonkonferenz. Mit der Landtagspräsidentin, allen parlamentarischen Geschäftsführer*innen und den Fraktionen haben wir eine rechtlich gültige Vereinbarung zum Parlamentsbetrieb nach den Osterferien getroffen: Es wird weiterhin nur ein Fünftel der Abgeordneten im Landtag anwesend sein. Zwischen den Plätzen wird großer Abstand gewahrt. Wichtige Punkte, die auch auf Betreiben der Landtags-Grünen Eingang in die Beschlüsse fanden, waren beispielsweise die Beteiligung der Öffentlichkeit auch an allen Ausschusssitzungen auf elektronischem Weg und die verkürzte Geltungsdauer der krisengeschuldeten Geschäftsordnungsnovelle vorläufig bis zum 31. Juli 2020.
Unser großer Dank gilt hierbei dem Personal im Bayerischen Landtag, das Tag für Tag solche Sitzungen vorbereitet und somit den demokratisch-parlamentarischen Ablauf ermöglicht.
Die Mailflut hat sich für mich locker verdoppelt: Unternehmen, die nach den Konditionen der Soforthilfen fragen, Unterstützerangebote, Abstimmungen innerhalb der Fraktion oder mit Kolleg*innen im Haushaltsausschuss, der Austausch mit Kolleg*innen anderer Bundesländer — gerade jetzt ist aktuellste Information und Kommunikation an alle Akteur*innen und Betroffene wichtig wie vielleicht nie zuvor.
Ich persönlich biete — auch in dieser Woche — Webinare und digitale Diskussionen über Social Media an, damit alle Bürger*innen und Unternehmen ihre Fragen stellen können. Und a propos digitale Errungenschaften: Wir erleben gerade alle, wie dringend notwendig schon vorher mehr Investitionen in die digitale Infrastruktur gewesen wären.
Was steht nun aktuell auf der Agenda, besonders in meinem Aufgabengebiet, dem Staatshaushalt?
- Die Grüne Fraktion hat einen offenen Brief an Ministerien geschrieben, gemeinnützige Organisationen auch unter den Schutzschirm zu stellen:
Grüne wollen Geltungsbereich der Soforthilfen erweitern
Mit Erfolg — es wurde nachgebessert, gemeinnützige Organisationen, die gewerblich tätig und steuerpflichtig sind, kommen unter den Schutzschirm. Jetzt fehlt noch dringend eine Regelung für die Jugendherbergen.
- Wir haben eine Gefahrenzulage bis zu 500 Euro monatlich für Menschen in systemrelevanten Berufen, die direkt mit Corona zu tun haben, gefordert. Dieser Vorschlag wurde wenigstens teilweise, nämlich mit einer Einmalzahlung von 500 Euro, umgesetzt.
- Wir haben einen in einem offenen Brief gefordert, die Gärtnereien öffnen zu lassen. Tonnenweise Blumen und Gemüse werden derzeit vernichtet, in der Hauptsaison dieser Betriebe. Die Menschen decken sich bei Discountern mit Pflanzen und Erde ein.
- Wir haben als Fraktion einen 20-Punkte-Plan mit weiteren Maßnahmen auf den Weg gebracht.
- Weitere 10 Milliarden wurden vom Ministerpräsidenten angekündigt, zudem ein Bayernfond und ein Beteiligungsgesetz, mit dem sich der Freistaat direkt an Unternehmen beteiligen kann. Nach Ostern braucht es also weitere zwei Lesungen im Plenum und Beratungen mit den Ministerien im Haushaltsausschuss. So sehr manche Maßnahmen angebracht erscheinen, so sehr müssen wir alle darauf achten, dass die Demokratie nicht ausgehöhlt wird und auch in der Krise wichtige Mitberatungs- und Mitbestimmungsmöglichkeiten funktionieren. Vor einer pauschalen Beteiligungsmöglichkeit an Unternehmen ohne weitere Zustimmungspflicht des Landtags muss dieser Gesetzentwurf geprüft und diskutiert werden. Bevor weitere Milliarden zulasten der nächsten Generationen ausgegeben werden, muss berichtet werden, wofür die ersten Milliarden verwendet wurden. Welche Unternehmen wurden übersehen, wo hakt es, wo muss nachgebessert werden? Solche Diskussionen und Berichte sind dringend notwendig — so meine Grundüberzeugung.
Unsere tägliche Arbeit als Abgeordnete besteht darin, mit allen Akteur*innen vor Ort Kontakt zu halten, um wichtige Informationen zu bekommen und Verbesserungen auf den Weg zu bringen. So habe ich wichtige Institutionen abgefragt, mit den Rettungsdiensten, mit Kliniken, Ärzt*innen, dem Helferkreis, Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen, mit Unternehmen besprochen, wie es läuft und was sie dringend brauchen. Ich spreche mit zahlreichen Unternehmer*innen, Therapie-Praxen-Betreiber*innen und andere Selbständigen, um die Infos über die Soforthilfen und Kredite zu bekommen oder konstruktive Vorschläge einzubringen. Gerade bei den Krediten gestaltet sich die schnelle Umsetzung nicht einfach, dafür stehen wir im Kontakt mit unseren Bundes- und Europapolitiker*innen. Viele Maßnahmen können erst in der Praxis bewertet werden, deshalb ist eine Rückmeldung so wichtig.
Dies war ein erster Einblick in die Arbeit des Landtags während der Corona-Pandemie. Ich wünsche Ihnen gute Gesundheit und eine gute Zeit.
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