Claudia Köhler: “Staatsregierung lässt soziale Träger hängen”
Die Hängepartie um den bayerischen Staatshaushalt geht weiter und betrifft nun auch die Kommunen im Landkreis Eichstätt. Noch immer – im Februar des laufenden Jahres – hat die CSU-FW-Regierung keinen Haushaltsentwurf 2024 vorgelegt. Beschlossen werden kann das Haushaltsgesetz erst im Juni, wenn das Jahr schon fast halb vorbei ist, ein Negativrekord über die letzten 20 Jahre. Vorher gibt es kein neues Geld. Das bedeutet, dass alle neuen Projekte, Stellen, Aufwüchse bei Pauschalen bis zum Sommer warten müssen.
Für die Träger der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) und Ganztagsbetreuung ist dies besonders fatal. Denn eigentlich müssten jetzt die Stellen und die Gruppen für das neue Schuljahr 2024/2025 ab September geplant und Personal eingeteilt und angeworben werden.
Claudia Köhler, Landtagsabgeordnete und Mitglied im Haushaltsausschuss: „Wieder mal lässt die Staatsregierung die sozialen Träger hängen, in diesen eh schon schwierigen Zeiten. Zurzeit können keine Anträge auf neue Stellen der Jugendsozialarbeit an Schulen für das kommende Schuljahr gestellt werden. Auch für die Ganztagsbetreuung und Mittagsbetreuung können den Kommunen derzeit keine festen Zusagen gegeben werden. Dabei sind die Jugendsozialarbeit und eine verlässliche Betreuung nicht nur für gerechte Bildungschancen wichtig, sondern unsere Unternehmen im Landkreis Eichstätt brauchen derzeit jede Arbeitskraft. Wenn der Betreuungsplatz nicht zugesagt werden kann, müssen viele junge Eltern die Betreuung daheim übernehmen und fehlen damit dem Wirtschaftsstandort.”
Fachleute der Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) sehen die Entwicklung mit großer Sorge.
Ludwig Weber, Gesamtleiter des Katholischen Jugendsozialwerks München, eines großen Trägers der Jugendsozialarbeit: „Zurzeit ist es nicht möglich, Anträge für neue Stellen in der Jugendsozialarbeit an Schulen für das kommende Schuljahr zu stellen, da unklar ist, ob und in welchem Umfang Haushaltsmittel zur Verfügung gestellt werden. Dies geschieht vor dem Hintergrund eines stetig steigenden Bedarfs an Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS). Die JaS-Fachkräfte verzeichnen aktuell einen erheblichen Bedarf. Sie berichten von einer Vielzahl psychischer Auffälligkeiten bei Schülerinnen und Schülern, einer Häufung von Kindern, die zur diagnostischen Abklärung in der Kinder- und Jugendpsychiatrie aufgenommen werden müssen, sowie einem starken Anstieg von Gewalt an Schulen. Die Integration von Schülerinnen und Schülern ohne Sprachkenntnisse führt ebenfalls zu erheblicher Unruhe und einem starken Ungleichgewicht in den Klassen. Zudem gestaltet sich die Elternarbeit zunehmend zeitaufwändig und schwierig.
Um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, sind bereits jetzt zusätzliche Stunden für die JaS-Fachkräfte erforderlich; auch die Schulen melden einen deutlich höheren Bedarf. Dies führt dazu, dass die Kolleginnen und Kollegen in der JaS systematisch überlastet sind. Da es derzeit keine Aussicht darauf gibt, wann erforderliche Aufstockungen umgesetzt werden können, wechseln bereits einige erfahrene Fachkräfte in andere Berufsfelder, was den Fachkräftemangel zusätzlich und unnötig anheizt.
Einige Träger aus meinem Netzwerk ziehen sich aus der JaS zurück. Diese Entwicklung trägt dazu bei, dass die Versorgung mit Jugendhilfe-Angeboten abnimmt. Die Folgen für die Schulen bzw. unsere Gesellschaft sind gravierend.“
Der Sozialpädagoge Klaus Bittlmayer, beruflich in einer JaS-Teamleitung, Kreisrat der Grünen und Mitglied im Jugendhilfeausschuss, warnt vor den Folgen des Stillstands: „Die Arbeit der Jugendhilfeausschüsse und der Jugendämter wird durch die Verzögerung blockiert. Alleine im Landkreis Eichstätt stauen sich neue Stellen für die Jugendsozialarbeit an Schulen, für die der Bedarf bereits seit Monaten im Jugendhilfeausschuss festgestellt wurde. Dringend benötigte Stellenaufstockungen an einzelnen Schulen sind, wegen der fehlenden Förderzusage der Regierung von Oberbayern, derzeit nicht möglich. Wichtige Hilfen für Schülerinnen und Schüler können nicht gewährleistet werden.“ Eine Zwischenfinanzierung sei nicht möglich: „Selbst wenn die örtlichen Ebenen (Landkreis, Schulaufwandsträger, Träger) sich einig wären und die Finanzierung erst mal übernehmen würden, dürfen sie nicht loslegen, ohne die Gesamtförderung langfristig zu gefährden. Eine wirksame, niederschwellige Hilfe für Kinder und Jugendlichen wird vom Zögern der Staatsregierung vermasselt.“
Köhler fordert in einem Dringlichkeitsantrag, dass sich die Staatsregierung schnellstens kümmert und eine Lösung für die von ihr verursachten Probleme entwickelt. “Es könnte etwas Ähnliches wie die Genehmigung eines vorzeitigen Maßnahmenbeginns sein; so nennt man das bei Bauvorhaben, wenn der Förderbescheid noch nicht da ist. Im sozialen Bereich gibt es bisher keine Regelung. An die Arbeit, es wird höchste Zeit!”
Der Dringlichkeitsantrag wird in der kommenden Woche im Landtag beraten.
Anlage: Dringlichkeitsantrag
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