Museum Bunk'art

Aus­schuss­rei­se auf den Bal­kan Teil 1 — Alba­ni­ens Chan­cen und Sorgen

Der Haus­halts­aus­schuss ging auf Rei­sen nach Alba­ni­en und Koso­vo. Schon am Flug­ha­fen wur­den wir von einer Kol­le­gin der Deut­schen Bot­schaft emp­fan­gen. Zum ers­ten Ter­min ging es direkt vom Flug­ha­fen zum Busi­ness Park Tira­na, einer Inves­ti­ti­on der Lind­ner Group aus Deutsch­land, und wir unter­hiel­ten uns mit des­sen Geschäfts­füh­re­rin. Der Busi­ness Park mit gro­ßem Well­ness­ho­tel und Restau­rant wird von vie­len deut­schen Tou­ris­ten und Tou­ris­tin­nen genutzt, “bus­wei­se” kom­men Rei­se­grup­pen und Fami­li­en aus Deutsch­land, so erfuh­ren wir.

Beim geführ­ten Stadt­rund­gang durch Tira­na, u.a. vor­bei an Kir­chen und Moscheen, an der Pyra­mi­de, am berühm­ten Muse­um of Secret Sur­veil­lan­ce, dem sog. “Haus der Blät­ter” besich­tig­ten wir auch Bunk-Art, eine Aus­stel­lung im ehe­ma­li­gen Bun­ker­tun­nel­sys­tem unter der Stadt. Ich war über­rascht vom moder­nen und leb­haf­ten Ein­druck, den Tira­na ver­mit­telt. Bunt beleuch­te­te Hoch­häu­ser in ver­schie­dens­ten Bau­sti­len erzäh­len von der beweg­ten Geschich­te des Lan­des. Mal ist eine Fas­sa­de aus dem Kom­mu­nis­mus an einem moder­nen Gebäu­de, mal wur­de eine Sta­tue auf einem Sockel aus­ge­tauscht. Auch die ent­schlos­se­ne Umnut­zung und der Umbau his­to­risch belas­te­ter Gebäu­de hat mich beeindruckt.

Alba­ni­en, das aus tiefs­ter Armut unter dem kom­mu­nis­ti­schen Regime der­zeit gro­ße wirt­schaft­li­che Anstren­gun­gen für wirt­schaft­li­che Zusam­men­ar­beit mit dem Wes­ten unter­nimmt, ist ein wun­der­schö­nes Land, mit klein­tei­ligs­ter Land­wirt­schaft, boo­men­dem Tou­ris­mus (10 Mio Besucher*innen pro Jahr), sehr guter Gas­tro­no­mie und Hotel­le­rie, so z.B. das Hotel Rogner, in dem wir unter­ge­bracht waren. Das Land, erschüt­tert von einem gro­ßen Erd­be­ben 2019, lei­det stark dar­un­ter, dass die jun­gen Leu­te in Scha­ren aus­wan­dern. Schon hier wur­de uns klar, dass das Abwer­ben von Arbeits­kräf­ten aus dem Aus­land stets zwei Sei­ten hat. Momen­tan erfährt Alba­ni­en gute Zuwachs­ra­ten in der Wirt­schaft von 3,8%, fast nur im Tou­ris­mus. Die Arbeits­lo­sen­quo­te beträgt trotz­dem 10,7%.

Tag 2 begann mit einem Brie­fing durch Bot­schaf­ter Karl Berg­ner im Hotel. Anschlie­ßend spra­chen wir direkt im Par­la­ments­ge­bäu­de mit dem Haus­halts- und Finanz­aus­schuss unter dem Vor­sit­zen­den Edu­ard Shal­si.

An der Aldent Uni­ver­si­tät infor­mier­ten wir uns über den Bache­lor-Stu­di­en­gang “Gene­ral Nur­sing”; dort wer­den u.a. Pfle­ge­kräf­te für den deut­schen Markt aus­ge­bil­det. In Zusam­men­ar­beit mit dem Col­lege Hei­me­rer (des­sen Zen­tra­le wir spä­ter noch im Koso­vo besuch­ten) wer­den dort aus­rei­se­wil­li­ge Stu­den­tin­nen und Stu­den­ten auf ihren Ein­satz in Deutsch­land aus­ge­bil­det, mit Deutsch­kur­sen vor­be­rei­tet und Kon­tak­te zu deut­schen Unter­neh­men geknüpft, so z.B. mit den DRK Kli­ni­ken in Berlin.

Der Tag umfass­te anschlie­ßend Gesprä­che mit GIZ / KfW zu den The­men­kom­ple­xen Beruf­li­che Bil­dung, Fach­kräf­te­man­gel und Migra­ti­on. Ein run­der Tisch am Mit­tag mit ver­schie­de­nen deut­schen Fir­men und Fir­men mit deut­schem Bezug dien­te dem Ken­nen­ler­nen und guten Aus­tausch — auch in der Zukunft. Anwe­send waren Vertreter*innen von Vega Solar, Hol­ber­ton School, Daten Max, NG Uni­ver­si­tät und Krones.

Am Nach­mit­tag ging es wie­der ins Par­la­ment zu einem Gespräch mit dem EU-Inte­gra­ti­ons­aus­schuss und der Vor­sit­zen­den Jor­i­da Taba­ku und der stellv. Vor­sit­zen­den Etil­da Gjo­naj, der frü­he­ren Verteidigungsministerin.

Der ita­lie­ni­sche Bot­schaf­ter Fabri­zio Buc­ci infor­mier­te uns zur Sicht aus ita­lie­ni­scher Per­spek­ti­ve auf die The­men Migra­ti­on und Erst­auf­nah­me­la­ger. Die Zah­len gin­gen zurück, die Abschre­ckung funk­tio­nie­re, so sein Fazit. Völ­lig anders ver­lief mei­nes Erach­tens das Gespräch in der Deut­schen Bot­schaft mit Ver­tre­tern des BAMF und der Bun­des­po­li­zei. Für mich war schon vor der Rei­se klar, dass Melo­nis Lager rei­ne Sym­bol­po­li­tik dar­stellt und für die aktu­el­len Her­aus­for­de­run­gen zu Flucht und Migra­ti­on wenig hilf­reich ist.

Agro­tou­ris­mo Ble­ri­nas Farm

Abends waren wir zusam­men mit Gäs­ten polis­ti­scher Stif­tun­gen, der vbw, DIHA, GIZ, KfW, DAAD, dem Goe­the-Zen­trum sowie  Bot­schafts­an­ge­hö­ri­gen aus Bay­ern zu einem Emp­fang in der Deut­schen Bot­schaft auf Ein­la­dung des Bot­schaf­ters eingeladen.

Der drit­te Tag in Alba­ni­en führ­te uns mor­gens zum Agro­tou­ris­mo Ble­ri­nas Farm, einem EZ-Pro­jekt zur länd­li­chen Ent­wick­lung. Auch mit deut­schen För­der­gel­dern wur­de dort ein vor­bild­li­ches “Urlaub auf dem Bauernhof”-Projektgefördert, geführt von drei Frau­en. Im anschlie­ßen­den Gespräch ging es um alba­nisch-baye­ri­sche Koope­ra­ti­on in der Milch­wirt­schaft GIZ und die Chan­cen in der Entwicklungszusammenarbeit.

Ein wirk­lich häss­li­cher Ter­min führ­te uns nach Gja­der zum ita­lie­ni­schen Asy­l­ent­schei­dungs­zen­trum, wie­der beglei­tet vom Bot­schaf­ter, den Ver­tre­tern des BAMF und der Bun­des­po­li­zei. Vor Ort spra­chen wir mit dem beauf­trag­ten Betrei­ber und Ver­tre­tern aus Ita­li­en. Die Fotos kön­nen gar nicht zei­gen, wie bedrü­ckend die­ses Lager mit hohen Mau­ern aus Well­blech, Con­tai­nern, in denen die Ent­schei­dun­gen über Asyl­recht oder Gerichts­ver­hand­lun­gen statt­fin­den, sind. Beton­bö­den, Git­ter an den Fens­tern, Stahl­tü­ren und Siche­run­gen durch Zäu­ne von oben — men­schen­wür­dig sind für mich sol­che Ein­rich­tun­gen nicht. Mona­te­lang sol­len dort Leu­te fest­ge­hal­ten wer­den, die kein Asyl­recht bekom­men, aus siche­ren Her­kunfts­län­dern kom­men und kei­ne Krank­hei­ten auf­wei­sen. Auch Fami­li­en sol­len nicht dort hin kom­men. Zwei­mal schon ver­hin­der­te ein ita­lie­ni­sches Gericht die geplan­te Auf­nah­me von Geflüch­te­ten — sie kamen u.a. nicht aus siche­ren Her­kunfts­län­dern, so die Begrün­dung. Für mich eine Erleich­te­rung, dass hier der Rechts­staat gut funk­tio­niert. Wenn man sich vor Augen führt, wie­vie­le Mio Euro an Kos­ten die­ses Lager schon jetzt gekos­tet hat und im Unter­halt kos­tet, wie viel Per­so­nal von der ita­lie­ni­schen Bun­des­po­li­zei bis zur ärzt­li­chen Ver­sor­gung vor Ort nötig ist, so wären die­se Steu­er­mit­tel in gelin­gen­de Inte­gra­ti­on, Bil­dung, Arbeits­ver­mitt­lung und in Hil­fe gegen Flucht­ur­sa­chen bes­ser investiert.

Anschlie­ßend ging es per Bus zum Agro­tou­ris­muo Mri­zi i zana­ve und bald schon erreich­ten wir den Grenz­über­gang Mori­na-Ver­mi­ca, um in den Koso­vo nach Pris­ti­na einzureisen.

Verwandte Artikel