Foto: Lukas Barth

Grü­ner Erfolg: Staats­re­gie­rung will Geflüch­te­te end­lich arbei­ten lassen

End­lich hat es auch Herr Söder ein­ge­se­hen und ver­kün­det: „Weg von der Stra­ße, hin zur Arbeit“.  Alle Flücht­lin­ge in Asyl­ver­fah­ren sol­len nach dem drit­ten Monat arbei­ten dür­fen — so die Überschriften.

Ich kann nur auf­stöh­nen. Denn es han­delt sich um nichts mehr als die gül­ti­ge Geset­zes­la­ge, an die sich der Minis­ter­prä­si­dent mit der Staats­re­gie­rung von nun an offen­sicht­lich hal­ten will. Ist das eine Mel­dung wert?

Im Bun­des­ge­setz ist seit August 2015 fest­ge­legt: Flücht­lin­ge mit einer Auf­ent­halts­ge­stat­tung sind in den ers­ten drei Mona­ten ihres Auf­ent­halts in Deutsch­land voll­stän­dig vom Arbeits­markt aus­ge­schlos­sen. Ab dem vier­ten Monat haben sie einen abge­stuf­ten Zugang zum Arbeits­markt und zu bestimm­ten Beschäf­ti­gun­gen. Erst nach vier Jah­ren Auf­ent­halt kön­nen sie jede Beschäf­ti­gung auf­neh­men. Geflüch­te­te mit Dul­dung unter­lie­gen in den ers­ten drei Mona­ten nach Ertei­lung der Dul­dung zwar kei­nem Arbeits­ver­bot, aller­dings muss die Aus­län­der­be­hör­de nach ihrem Ermes­sen zustim­men. Auch hier gilt eigent­lich, dass sie ab dem vier­ten Monat einen abge­stuf­ten erleich­ter­ten Zugang zum Arbeits­markt und zu bestimm­ten Beschäf­ti­gun­gen haben.

Doch in Bay­ern wur­de die­se Ermes­sens­grund­la­ge so aus­ge­legt, dass vie­le Geflüch­te­te lan­ge wei­ter­hin kei­ne Arbeits­er­laub­nis beka­men bzw. nicht wei­ter­ar­bei­ten durf­ten. Unter­neh­men, Behör­den und Hel­fer­krei­se waren jah­re­lang damit beschäf­tigt, die büro­kra­ti­schen Hür­den, die Inter­ven­tio­nen und Ver­bo­te abzu­weh­ren. Ich weiß, wovon ich spre­che. Allein in mei­nem Asyl­hel­fer­kreis in Unter­ha­ching konn­te ich 130 Mal Arbeit ver­mit­teln. Nicht die Hälf­te der Leu­te, die bereits Steu­ern und Sozi­al­ab­ga­ben bezahlt hat­ten, durf­te wei­ter­ar­bei­ten — zum Nichts­tun verdammt!

Als Land­tags­ab­ge­ord­ne­te bekom­me ich fast wöchent­lich Rück­mel­dun­gen und Bit­ten um Hil­fe, dass Mit­ar­bei­ten­de wei­ter­ar­bei­ten dür­fen. Selbst­ver­ständ­lich küm­me­re ich mich, schrei­be an Minis­te­ri­en und Behör­den und an den Inte­gra­ti­ons­be­auf­trag­ten. Wohl­ge­merkt in Fäl­len, um die wir uns eigent­lich gar nicht küm­mern müss­ten, weil alles lau­fen wür­de, wenn Bay­ern die Men­schen wei­ter­ar­bei­ten las­sen würden.

Ich hof­fe, dass Herr Söder der Ankün­di­gung nun Taten fol­gen lässt. Momen­tan schaut es für mich noch nicht danach aus. Auch aktu­ell wen­den sich Unternehmer*innen und Arbeitnehmer*innen an mich, weil Arbeits­er­laub­nis­se ent­zo­gen oder nicht gege­ben wurden.

“Die Rechts­la­ge seit 9 Jah­ren ist ein­deu­tig: Geflüch­te­te dür­fen arbei­ten. Aber der ableh­nen­de Kurs der Staats­re­gie­rung hat nicht nur den Flücht­lin­gen mög­li­che beruf­li­che Per­spek­ti­ven ver­baut, es hat die der Gesell­schaft Mil­lio­nen gekos­tet, und das beim Man­gel an Arbeits­kräf­ten in nahe­zu allen Bereichen.”

Unter­neh­men suchen hän­de­rin­gend nach Arbeits­kräf­ten. Geflüch­te­te brin­gen oft jah­re­lan­ge Berufs­er­fah­rung und wert­vol­les Wis­sen, fast immer höchs­tes Enga­ge­ment und die Hoff­nung, mit Fleiß ein bes­se­res Leben für sich und ihre Fami­li­en zu bekom­men, mit. All das wür­de unse­re Wirt­schaft stär­ken, wir brau­chen drin­gend Arbeits­kräf­te in fast allen Berufen.

Der zwei­te Teil der Ankün­di­gung des Minis­ter­prä­si­den­ten lässt jedoch aufhorchen:

Alle sol­len arbei­ten dür­fen oder gemein­nüt­zig zu Arbei­ten ein­ge­teilt wer­den. Aha, also am liebs­ten Arbeit für 80 Cent die Stun­de? Höre ich Popu­lis­mus oder gar Nie­der­tracht? Gemein­nüt­zi­ge Arbeits­plät­ze, sog. Arbeits­ge­le­gen­hei­ten ähn­lich 1‑Eu­ro-Jobs gibt es bei Kom­mu­nen und öffent­li­chen Insti­tu­tio­nen, sie sind aber schwer zu fin­den. Der Frei­staat Bay­ern möch­te nun 5000 sol­cher Stel­len defi­nie­ren, etwa in Kan­ti­nen baye­ri­scher Behör­den oder in staat­li­chen Gärten.

Ich mei­ne: “War­um extra neue gemein­nnüt­zi­ge Stel­len defi­nie­ren? Die Wirt­schaft sucht Arbeits­kräf­te, die Geflüch­te­ten suchen Arbeit. Hier zu ver­mit­teln, muss unse­re Auf­ga­be und Anstren­gung sein. Dann kön­nen die­se Men­schen nicht nur lang­fris­tig für sich selbst sor­gen, son­dern zah­len auch in die Sozi­al­sys­te­me ein. So gelän­ge Integration!”

 

Unse­re Anträge:

Arbeits-und Aus­bil­dungs­ver­bo­te auf­he­ben 2022

Arbeits-und Aus­bil­dungs­ver­bo­te auf­he­ben 2019

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