Unter­wegs mit neu­en Augen

Stadt­teil­spa­zier­gang mit Men­schen mit Behinderungen

„Poli­tik und Ich“ heißt das Pro­jekt der „Offe­nen Behin­der­ten­ar­beit – evan­ge­lisch in der Regi­on Mün­chen“, deren Orga­ni­sa­to­rin Anto­nie Hut­ter mich zu einem Stadt­teil­spa­zier­gang in Neu­hau­sen in Mün­chen ein­ge­la­den hat­te. Zusam­men mit Men­schen mit kör­per­li­chen Behin­de­run­gen und kogni­ti­ven Ein­schrän­kun­gen waren wir knapp zwei Stun­den unter­wegs. Der Spa­zier­gang führ­te vom Löhe-Haus in der Blu­ten­burg­stra­ße über eine U‑Bahn-Fahrt bis zum Rot­kreuz­platz bis zum Café Wohn­werk Mün­chen e.V. am Schär­in­ger­platz. Eigent­lich war es aus mei­ner Sicht eine völ­lig unpro­ble­ma­ti­sche Stre­cke, ein paar Mal über die Stra­ße, ein­mal mit dem Auf­zug zur U‑Bahn und eine Sta­ti­on fah­ren und wie­der zurück.

Zu kurz gedacht!

Schon bei weni­gen Zen­ti­me­tern Höhe am Rand­stein blei­ben Roll­stüh­le auf der Stra­ße hän­gen. Ampel­schal­tun­gen, die schon für Men­schen ohne Beein­träch­ti­gun­gen sport­lich sind, wer­den zur erheb­li­chen Gefahr für geh­be­hin­der­te Fußgänger*innen. Trotz meh­re­rer Begleiter*innen und Hil­fe von Passant*innen haben wir es nicht geschafft, mit der Grup­pe gleich­zei­tig in eine U‑Bahn ein­zu­stei­gen und muss­ten einen Rol­li­fah­rer unfrei­wil­lig zurück­las­sen. Er muss­te mit sei­ner Beglei­te­rin auf den nächs­ten Zug war­ten. Der Lift hat funk­tio­niert, wenigs­tens das eine gute Nach­richt – oft sind die Auf­zü­ge kaputt und man ist im Sper­ren­ge­schoss regel­recht gefangen.

End­lich im inklu­si­ven Café ange­kom­men, stärk­ten wir uns bei Kuchen und Kaf­fee und dis­ku­tier­ten recht leb­haft über aktu­el­le Poli­tik. Bar­rie­re­frei­heit, Werk­statt­lohn, Ren­te, Gefah­ren durch die Wahl­er­fol­ge der Rechts­ra­di­ka­len – gera­de für Men­schen mit Behin­de­run­gen – und Schutz der Demo­kra­tie bewe­gen alle Teilnehmer*innen.

Für mich war es ein span­nen­der Nach­mit­tag, der mir die Augen buch­stäb­lich geöff­net hat für Her­aus­for­de­run­gen, die ich so gar nicht wahr­ge­nom­men hat­te. Beein­druckt hat mich die Ent­schlos­sen­heit, aber auch der Humor, mit der die Spaziergänger*innen mehr Teil­ha­be forderten.

Ich ver­sprach, eini­ge Anlie­gen direkt an die zustän­di­gen Kolleg*innen und Behör­den wei­ter­zu­ge­ben. Und wir haben ver­ab­re­det, uns bald wie­der zu einer poli­ti­schen Dis­kus­si­on zu tref­fen. Dan­ke für die­sen außer­ge­wöhn­li­chen Spaziergang!

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