Haushaltsrede vom 7.4.2022
(es gilt das gesprochene Wort)
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
zunächst mein Dank ans Ausschussbüro, ans Plenarreferat, an die Ressorts und Referent*innen, an Herrn Vorsitzenden Zellmeier für alle Vorbereitungen. Ohne Sie hätten wir die fast 900 Änderungsanträge nicht gut debattieren können.
Dieser Haushalt tritt mit vier Monaten Verspätung in Kraft. In einer Pandemie sind vier Monate eine lange Zeit. Bayern wartet vier Monte auf Verbesserungen in den Gesundheitsämtern, auf mehr Personal, auf die Digitalisierung der Verwaltung (ORH). Schaffen Sie endlich die Strukturen, damit wir wieder ins richtige Fahrwasser kommen! Was uns nämlich grad bremst, sind Ihre Versäumnisse der vergangenen Jahre, ist marode Infrastruktur, sind Ämter am Limit. Wo kommen wir denn hin, wenn wir immer noch nicht in der Lage sind, dem RKI die richtigen Zahlen zu melden? Schaffen Sie die nötigen Stellen für unsere Behörden, rüsten Sie auf, digitalisieren Sie und investieren Sie zielgerichtet.
Für diesen Haushalt haben Sie kurzfristig 1 Mrd Euro mehr aus der Rücklage nehmen müssen und jetzt, wo das Geld knapp wird, den Saldo am Schluss durch 700 Mio Euro globale Minderausgabe ausgeglichen. Und dazu noch schon wieder neue Schulden aufgenommen.
All das nach fetten Jahren mit guter Konjunktur und Spitzensteuereinnahmen. Nichts funktioniert, obwohl viel Geld – leider planlos — ausgegeben wurde. Überprüfen Sie Ihr Ausgabeverhalten… oder lesen Sie wenigstens den Bericht des Obersten Rechnungshofs.
Aber da stöpseln Sie dann eine angebliche Klimamilliarde zusammen und wenn man gescheit liest, sind es dann bloß 600 Mio Euro im Jahr 2022. Sie bringen Anträge mit Überschriften ein, als würden sie die Welt retten. Wenn man dann nachliest, ist es meistens nur eine kleine Studie zum Thema.
Das Ganze ist keine aktive Klimapolitik. Das ist ein Zusammenkratzen von Haushaltsmitteln, die irgendwas mit Energie zu tun haben könnten.
Die Koalition spricht gern von der Sonne, aber bitte: Wo sind denn dann die PV-Anlagen auf jedem öffentlichen Dach? Unseren Antrag 150 Mio Euro für PV auf Schuldächern haben FW und CSU abgelehnt. Geothermie, für ganz Bayern gibt es 7,5 Mio Euro. Ladeinfrastruktur, Wärmenetze 100 Mio Euro, auf geht’s! Namentliche Abstimmung — alle können nachlesen, wer für und wer gegen den Wärmefonds von 150 Mio Euro gestimmt hat. Die Energiewende, Herr Söder, Herr Füracker, Herr Glauber, ist eine Mammutaufgabe und kein PR-Gag!
Wir hatten präzise vorgerechnet: Investitionen in den ÖPNV, den SPNV, flächendeckende Verkehrsverbünde – die Sie in den Kreistagen selbst fordern und hier herinnen dann regelmäßig ablehnen. Wir haben Planungen für Radwege und Schnellradwege, die eine echte Alternative zum Auto sind, vorgelegt. Fußverkehr – existiert in Ihrem Haushalt gar nicht! Und zum Thema Wohnen wissen es alle, die auch in der Kommunalpolitik aktiv und nicht ganz blind sind: Es braucht endlich viel mehr erschwinglichen Wohnraum.
Alles, was Sie, Sie als regierende CSU-FW-Fraktion, in diesen Haushalt in Krisenzeiten eingebracht haben, das sind 60 Mio Fraktionsreserve, bei 71 Mrd Euro Haushaltsvolumen! 1 Promille – jeder ein kleines Projekt in seinem Stimmkreis und ne Pressemeldung dazu. Das ist Ihr Input als Regierungsfraktion — Sie verzwergen sich freiwillig. Knüller waren das Sisi-Museum in Possenhofen, ein Projekt über das Hirtenwesen im 18. Jahrhundert, ein Klöppelmuseum usw. – mein Lieber, das sind Herausforderungen!
Der Bayerische Staatshaushalt ist doch kein Selbstbedienungsladen für Abgeordnete, die im Stimmkreis Gefallen verschenken. Ein paar Mal sogar ausdrücklich unter Umgehung der bayerischen Förderrichtlinien, die Richtlinien, für die Sie selber zuständig sind und die Sie leicht ändern könnten, damit es für alle Kommunen gilt. Das ist keine Schwerpunktsetzung, das sind nur kleine bis mittelgroße Geschenke.
Und dann sind Ihnen auf den letzten Metern, am Ende der zweiten Haushaltswoche, doch noch ein paar wesentliche Sachen, eingefallen, Uni-Schwerpunkte und Ausstattung für die Hochschulen, die im Haushaltsentwurf vergessen und schnell nachgeschoben wurden. Und bei einigen dieser Anträge haben Sie dann auch noch die Unis verwechselt und nach dem Beschluss der Einzelpläne neue Tischvorlagen mit roten Ausbesserungen vorgelegt. Sie, als Regierungsfraktion, haben sich offensichtlich nicht die Mühe gemacht, vorher mal den Entwurf durchzulesen.
Da hilft uns keine Hightech Agenda mit hochtrabenden Zahlen an Professuren für einige wenige Unis, wenn die Hochschulen auf der anderen Seite weiter auf Sanierung warten, wenn an der Grundausstattung und der Masterausbildung gespart wird und wenn es noch immer Studiengänge gibt, die Präsenzvorlesungen verweigern oder Prüfungen in kalten Zelten mitten in der Baustelle am Campus schreiben lassen.
Herr Söder hat – zumindest in den Überschriften — viel Geld für die Forschung locker gemacht. Aber er geht auch hier planlos vor. Wir Grüne wollen diejenigen Forschungsfelder fördern, die wir dringend für die Bewältigung der existenziellen Herausforderungen brauchen. Forschung für Klimaschutz, Energieeffizienz, Ressourcenschonung. Stattdessen lösen Sie das Zentrum für Angewandte Energieforschung auf. Das ist verantwortungslos künftigen Generationen gegenüber.
Stichwort Jugend: Wir fordern die Aufhebung der Sperren für die Lehrerstellen, die Vorbereitung des Ganztagsanspruchs in der Grundschule und endlich bessere Bedingungen für das Personal in der Kinderbetreuung. Leider von CSU und FW abgelehnt. Von dieser Staatsregierung gibt es eine Glückwunschkarte zum 18. Geburtstag, das war’s dann.
Und gestern die letzte Chance für die Berufseinstiegsbegleitung vermasselt, hier liegt namentlich vor, wer gegen sie gestimmt hat und wer sie fortführen will. Die 3.500 Jugendlichen und zahllosen Unternehmen in den Regionen hängen zu lassen – ausgerechnet in einer Zeit, in der wir händeringend Auszubildende und Fachkräfte suchen. Ihr Geiz bei der Jugend und ihrer Bildung wird uns alle später teuer zu stehen kommen.
Wo sind Ihre Konzepte für Fachkräfte, für Azubis für unsere Wirtschaft?
Unsere Hochschulen sind ein wesentlicher Schlüssel für Klimapolitik. Denn hier geht es um die energetischen Sanierungen, um die zahlreichen Hochschulen und Behörden. Über 100 Jahre dauert es Stand heute, bis unsere Hochschulen renoviert sind. Und wird dabei immer teurer.
Wir werden auch weiterhin an der Seite der Betroffenen und ihrer Verbände für ein Gehörlosengeld kämpfen. Bei der Koalition: Fehlanzeige! Lediglich eine Einmalzahlung in Höhe von 145 Euro war die Regierungs-Mehrheit bereit, lockerzumachen — und das bei einem Haushaltsvolumen von über 71 Mrd Euro. Wieder einmal wird bei den kleineren Beträgen für soziale Maßnahmen gespart.
Im Einzelplan 14 Gesundheit sehen wir doch alle: So kann es nicht weitergehen. Das Pflegepersonal am Ende, Pflegebedarf ein Risiko für Armut der Betroffenen und der Angehörigen. Wir haben Vorschläge für bessere Pflegeangebote auf den Tisch gelegt. “Pflege so nah”, Verschränkung von Maßnahmen, ambulant und stationär, multiprofessionale Teams, Telemedizin, Digitalisierung. Sie binden auch in diesem Haushalt wieder 430 Mio Euro Pflegegeld ohne irgendeine Verbesserung für die Pflege.
Katastrophenschutz: Uns reicht ein „Herzliches Vergelt’s Gott!“ nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben Ihnen auch hier mundgerecht alles vorgelegt: Geld für die Umrüstung der Sirenensysteme, Geld für die Sanierung der Feuerwehrhäuser, Geld für die Ausstattung der Feuerwehrschulen, Hilfe bei der Nachwuchsgewinnung – so etwas darf doch nicht vom Geldbeutel der Kommunen abhängen, da geht es um die Sicherheit! Lesen Sie nochmal unseren Antrag zu einem innovativen, professionellen Schulungsteam für die Führungsgruppen Katastrophenschutz.
Und angesichts der Katastrophe des Putin-Kriegs sag ich Ihnen eins: Mit vernünftiger Ausstattung aller Akteure für gelingende Integration, das wäre übrigens gar nicht so teuer, kommen wir seit 2015 nicht weiter. Noch immer kämpfen wir um auskömmliche Mittel für die Integrationsberatung. In den letzten Wochen ist dramatisch sichtbar geworden, wie bitter notwendig hier verlässliche Strukturen sind! Aber Sie bewegen sich nicht. Nach über 6 Wochen Krieg hat diese Staatsregierung, originär zuständig für Integration, noch immer nichts vorgelegt. Wir fordern Sie heute auf, 100 Mio Euro Landesmittel schleunigst bereit zu stellen, für die Versorgung, Unterbringung, Beratung der Geflüchteten aus der Ukraine. Um all die Träger, die Kommunen, die Ehrenamtlichen da draußen, die sich seit Wochen abrackern, endlich verlässlich zu unterstützen. Wir werden heute namentlich abstimmen lassen, jeder Landrat, jeder Bürgermeister, jeder Träger und jeder Asylhelferkreis kann es dann nachlesen! Es ist nicht nur eindeutig staatliche Aufgabe, es pressiert! Sprachkurse für Frauen mit Kindern haben Sie auch wieder mal abgelehnt, die brauchen wir aber jetzt! Die Kommunen und Kreise sind zur Zeit völlig allein, mit der Arbeit, mit den Kosten. Die Leute wollen helfen, sie öffnen ihre Wohnungen, sie kümmern sich um die Kinder – das ist für uns Bayern keine Krise — Sie machen es durch Ihre Arbeitsverweigerung zur Krise!
Kolleginnen und Kollegen, ich sage es ganz ehrlich: Eigentlich reicht das alles nicht. Eigentlich genügen auch unsere Anträge nicht. Wir müssten alles erhöhen, weil jahrelang nichts gemacht wurde. Für die Bildung, für die Energiewende, für echten Klimaschutz, für guten, landesweiten ÖPNV, Digitalisierung, für unsere Behörden, für unsere Kommunen. Wir merken, dass wir über die marode Infrastruktur wirtschaftlich abgehängt werden.
Und das Schlimme ist, Sie geben trotzdem wahnsinnig viel Geld aus – halt nicht besonders zielgerichtet.
In Bayern haben Sie 20 Mrd Euro Coronaschulden aufgenommen. Gebraucht haben Sie tatsächlich 2020 7,2 Mrd Euro, im Jahr 2021 3 Mrd Euro. Hatten wir übrigens so vorausgesagt und den zweiten 10 Mrd nicht zugestimmt. Und jetzt? Nehmen Sie 2022 wieder mehr als 10 Mrd Euro neue Schulden auf UND wir stehen vor einem Nachtragshaushalt. Der ORH bestätigt unsere Kritik an dieser hohen Neuverschuldung in Bayern. Die Rücklage haben sie geschont. Wofür, für das Wahljahr? Und kann denn der Schuldentilgungsplan angesichts der neuen Krisen überhaupt eingehalten werden? Wie stehen Sie dazu? Sie brauchen endlich einen Plan, einen Plan für die Menschen und unsere Wirtschaft, den Sie dann auch durchziehen! Ihre plakativen Sprüche lassen wir nicht gelten.
Wir haben in Bayern jetzt fast 15 Jahre haushaltspolitische Beliebigkeit hinter uns. Ob im Bund oder in Bayern: Sie und Ihre Politik haben uns einen Scherbenhaufen hinterlassen und Sie suchen nach wie vor faule Ausreden.
Liebe Kollegen der CSU, Sie haben in dieser Woche sehr viel über die Ampel gesprochen. Ja, schauen Sie nur nach Berlin, nehmen Sie sich ein Beispiel an der Ampel, gehen Sie die Themen endlich ernsthaft an. Unser Bayern verdient das.
Diese Anträge waren und besonders wichtig:
Berufseinstiegsbegleitung
- - Antrag Grüne FDP 2022 Berufseinstiegsbegleitung
- - Namentliche Abstimmung 06.04.2022 zum TOP Berufseinstiegsbegleitung
Wärmefonds
- Einrichtung eines Wäremfonds für eine sozial gerechte Energiewende 12603
- Namentliche Abstimmung am 06.04.2022 zum TOP Wäremfonds 20264
Sanierung von Schwimmbädern
- Antrag zur Sanierung von Schwimmbädern
- Namentliche Abstimmung am 06.04.2022 zum TOP Schwimmbadsanierung 20837
Ukraine
- Antrag: Geflüchtete in Bayern menschenwürdig aufnehmen und bei der Integration unterstützen13807
- Namentliche Abstimmung am 07.04.2022 zum TOP Geflüchtete 21913
Videos
Die ganze Rede als Video finden Sie hier
Hier finden Sie als Video auf Youtube eine kurze Zusammenfassung zur Haushaltsrede.
Hier die Themen Jugend und Bildung und Klimapolitik
Plenum TV, Interview mit Claudia Köhler
Die ganze Rede im Wortlaut finden Sie hier Haushaltsrede im Wortlaut
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